ein Häuschen im Grauen

Philipp Haselwanter & Roland Maurmair

 

Ausstellung | Exhibition
Galerie Andreas Stalzer
Barnabitengasse 6
A-1060 Wien
Opening: 17.11.2009 19h
Duration: 18.11.2009 – 15.01.2010

 



Ein Häuschen im Grauen
Zwischen Traum und Albtraum: eine Annäherung an das unendliche Thema vom Leben auf begrenztem Raum.

 

Welcher Stadtmensch träumt nicht von einem Häuschen im Grünen?
Und das nicht erst seit sich unsere urbane Lebenswelt fortschreitend als technisiert, automatisiert, schnell und virtuell offenbart. Zwar erschließen wir ständig neue virtuelle Räume und digitalisieren gleichzeitig unsere reale Lebenswelt mit der Intention, sie damit zu bewahren, vernachlässigen dabei aber die Wahrnehmungswirklichkeit unserer alltäglichen, realen Umgebung. Gleichzeitig verwahrlosen die Städte zu einer, der motorisierten Bewegung unterworfenen, Konstruktion aus Transiträumen, deren fahle Ausstrahlung uns kein Zuhause mehr zu bieten vermag. Die Flucht vorm Alltag endet zunehmend in medialen und virtuellen Welten, wo wir glauben ein neues Zuhause für uns entdecken zu können.
Ebenso begeben wir uns nach wie vor gerne in Erholung und Regeneration suggerierende „Pause–Zonen“, wie Gärten oder Parkanlagen. Dabei stört es uns nicht, dass es sich um eine von Landschaftsarchitekten gestaltete, künstliche Natur handelt; im Gegenteil scheint sie unsere Entspannungsbedürfnisse vollständig zu befriedigen. Eine Pseudonatur, die sich uns als „authentischer Lebensraum“ anbiedert, hat sich als Alternative zur Ungastlichkeit des urbanen Betondschungels etabliert.
Ist es die Anonymität, die dem Grauen die Chance sich auszubreiten bietet, vor dem wir dann die Flucht ins (vermeintlich) Natürliche und Ländliche antreten?
Nicht erst seit die Aktivitäten von Franz Fuchs und Josef Fritzl öffentlich wurden, wissen wir, dass um nichts weniger als in der Stadt auch am Land die kranken Geschichten ihre Heimstatt haben, dass in den Kellern der Vorstadthäuser nicht nur Kartoffeln und Wein gelagert werden und dass im Schutz der netten Nachbarschaft auch so Einiges verborgen bleibt. Die Stadt-Land Dichotomie scheint hier nicht recht zu greifen. Schwärmen wir einerseits vom Charme des Ländlichen, müssen wir im selben Atemzug zugeben, dass nur die Stadt uns jene Potentiale bietet, die uns die Provinz nicht zu bieten vermag.
Ähnlich ambivalent verhält es sich mit der Idylle und dem Grauen, bereitet uns das Grauen doch zuweilen sogar Vergnügen; wir holen es uns nach Hause, denke man an die Medien, die uns tagtäglich mit Schreckensnachrichten am Laufenden halten oder an gewaltverherrlichende Filme und Videospiele, die wir konsumieren. Aggression, Hass, Gewalt und Terror scheinen genauso zum Menschsein zu gehören, wie die Liebe oder die Sehnsucht nach Frieden.
Neben dem Aufenthalt in den besprochenen realen, wie virtuellen Erholungsarealen gestalten wir uns ein Zuhause, in welchem wir versuchen eine Idylle zu implementieren, die immer wieder wie eine Seifenblase zu platzen droht. Der letzte Wirtschaftscrash verstärkte noch die Tendenz zu einer neuen, biedermeierischen Häuslichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass bei diesem Rückzug in die eigenen vier Wände nur Ikeamöbel, und keine Bomben, zusammengebaut werden.
Wo ist das Heim, das uns vor dem Grauen schützt – im Mutterschoss, dem Ort wo noch alles in Ordnung ist? Der erste Schock ist die Geburt. Einmal hinausgepresst in eine kalte, grelle Welt versuchen wir uns zu orientieren und suchen eine neue Bleibe. Wir sehnen uns nach Ordnung und verlässlichen Mustern und Instrumenten zur Wirklichkeitsinterpretation. Wir teilen ein, verzeichnen, speichern und sortieren. Wir benennen, bestimmen und kategorisieren. Wir beherrschen – die Natur in Form von Topfpflanzen, Parkanlagen und Tiergärten. Bis hin zur Gentechnologie gelingt es uns, der Natur ins Handwerk zu pfuschen – nicht zuletzt um dieser Natur-Gewalt die Stirn bieten zu können, die Natur zu zähmen, indem wir zur Peitsche der Kultur greifen.

 


 

A country cottage surrounded by grey shadows
Dream or nightmare; approaching the never-ending story of life within limits.

 

Who wouldn’t dream of a nice little country cottage surrounded by green grass and trees?!
This is a phenomenon that started long before our urban life began to rapidly grow more mechanized, automated, rapid and virtual. We have been creating new virtual space and digitalizing real life in order to preserve it; however, in the process we have been neglecting the reality of perception of our real daily surroundings. At the same time, cities are being reduced to a construction of transitory dreams subject to motorized movement whose dead atmosphere does not offer us a home any longer. Our escape from every-day routine more and more often ends in virtual media worlds, where we believe to have found a new home.
Likewise we enjoy spending our time in “break zones” suggesting recreation and regeneration. We do not mind that nature in these gardens has been created artificially by landscape gardeners; on the contrary, they seem to completely satisfy our need for relaxation. Some kind of pseudo-nature, presenting itself to us as an “authentic habitat”, has established itself as an alternative to the inhospitality of the urban concrete jungle. Is it anonymity that makes it possible for the grey shadows to spread, which we then try to escape by fleeing into (supposedly) natural and rural space?
We’ve known for quite some time, even since before the horrors perpetrated by Franz Fuchs and Josef Fritzl became public, that sick stories are home not only to urban but also to rural areas, where not only potatoes and wine are stored in the cellars, and quite a few things remain hidden from the neighbors. The dichotomy between the country and the city does not seem to apply here. While enthusing about the charm of country life, we simultaneously must admit that only the city can offer us the opportunities that the country does not provide. There is a similar ambivalence about idyll and horror, as we sometimes even enjoy the horror; We even let it into our homes, via the media, for instance, which bring us home the latest horrible news every day, or by consuming violence-glorifying films and video games. Aggression, hatred, violence and terror seem to be part of us as are love and the longing for peace.
Besides spending our time in both the real and virtual recreational areas described above, we create a home where we attempt to implement an idyll that continuously threatens to burst like a bubble. The last economic crisis even reinforced the tendency towards a new conservative and domestic lifestyle. Hopefully, this withdrawal will merely lead people to build IKEA furniture and not bombs.
Where is the home that protects us from these grey shadows – the mother’s womb where everything is still all right? Birth is the first shock. Once we have been pushed out into a cold and bright world we try to orient ourselves and look for a new place to stay. We long for order, reliable patterns, and instruments to interpret reality. We classify, file, save and order. We label, define and categorize. We control – nature with our pot plants, parks and zoos. Gene technology is our ultimate masterpiece of interfering with nature – not least to defy nature by taming it with the whip of culture.



 

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