Brief an Herrn Baum

Video

2.50min. | Mini-DV/DVD | Pal Color, Stereo
Vienna, Austria 2012

 

 

 

 

 

 

Brief an Herrn Baum

 

Sehr geehrter Herr Baum!
Anlässlich Ihres nun seit nahezu ungezählten Jahren währenden glanzvollen und ruhmreichen Bestehens, erlaube ich mir höflichst mit einem Anliegen an Sie heranzutreten, welches mich nun schon seit geraumer Zeit umtreibt. Warum es mir erst jetzt gelingt, mich an Sie zu wenden, so hat das seinen Grund in inneren Hemmnissen, die mich zweifeln ließen ob mein mangelhafter Ausdruck Ihren jeden Rahmen sprengenden Leistungen überhaupt je gerecht werden kann. Ohne hiervon überzeugt zu sein, will ich nun dennoch nicht länger schweigen, schiene es mir doch ein unverzeihliches Versäumnis, Ihnen nie meinen ausdrücklichen Dank mitgeteilt zu haben.

Ihre stetige Bereitschaft uns Menschen, die wir ohne Sie tatsächlich nichts wären, mit Sauerstoff zu versorgen, ohne Eitelkeit, ohne Eigennutz – dies rang mir immer den größten Respekt ab, war mir immer Antrieb und Ermutigung. Gar nicht zu sprechen von den Opfern, die Sie, Ihre Brüder und Schwestern, Ahnen und Urahnen, mit selbstverständlicher Geste immer zu bringen bereit waren, ihr durch nichts zu korrumpierendes Ehr, – und Pflichtgefühl, dass Sie stets und ohne zu zögern Tisch, Papier, Stift, Haus werden ließ. Wie viele Ihrer Kollegen loderten stolz in unseren Öfen, stauten stramm unsere Dämme! Wie selten eine solche Haltung in unseren Zeiten doch zu finden ist, umso mehr muss sie gewürdigt werden. So stark mein Gefühl von Dankbarkeit auch ist, so wird es doch durch eine gewisse Wehmut getrübt, dass oft erst nach Ihrem Abgang ihr Wert vollständig erkannt wird, ihr unbeirrbares Ausharren und Ihre prachtvolle Blüte jedoch in der Hektik des Alltags oft keine hinreichende Wertschätzung erfahren. Aus diesem Grund will ich Ihnen noch viele ungefällte Tage, Wochen, Jahre wünschen; möge kein Ungeziefer ihre Rinde vorzeitig blättern machen und ihre Wurzeln noch lange die Erde durchziehen. Möge Ihnen außerdem nach einem hoffentlich schnellen Niedergang der ewige Frühling in Eden beschert sein und ihr edles Holz nicht dazu vergeudet werden, den Betrieb der Hölle aufrecht zu erhalten.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung und dankbarer Verbundenheit

 

Roland Maurmair

 

 

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